Frank Fellmann

Bühnen- und Kostümbild

 

“Das Lied der Nacht” Theater Osnabrück:

DER NEUE MERKER, 29.4.2017, Werner Häußner

Mascha Pörzgen hat die vielgestaltige Musik und das präzise, manchmal überdeutlich erklärende Libretto des Dichters Karl Michael von Levetzow in einer Inszenierung umgesetzt, die sich auf die gescheiterte Entwicklung eines Mädchens an der Bruchstelle vom Kind zur Erwachsenen konzentriert, aber die romantischen Seiten nicht aus dem Blick verliert. Konfrontiert mit der Forderung des Staates, ihre Existenz über ihren privaten Raum hinaus zu gestalten – Heirat und Wahl eines Königs –, flüchtet Prinzessin Lianora in den Rückzug. Aber die bergende Aufnahme in ein Kloster wird ihr verweigert: Eine riesenhafte Erscheinung, die „steinerne“ Äbtissin, verweist sie zurück auf „die Nacht“ in ihr selbst und auf das „Erbeben“ – die Wahrnehmung der eigenen Person. Lianora, das ist eine „Raupe“, die sich erst entwickeln muss: Frank Fellmann, der Ausstatter, hat dafür eine szenische Chiffre gefunden – das bunte Kinderkleidchen von Lianora, das sie nicht ablegen wird.

Mit der nächtlichen Trias von Lied, Rettung und Kuss könnte der unbekannte Sänger Lianora den Schritt zur gefestigten Persönlichkeit, zur bewusst angenommenen Sexualität, zur heilenden Kraft der Liebe öffnen. „Wie anders ist die Welt“, bekennt Lianora. Mascha Pörzgen inszeniert den traumversponnenen zweiten Akt in beziehungsreich-symbolhaften Bildern mit genau ausdeutender Sensibilität aus einer souveränen Kenntnis des Werks. Frank Fellmanns Bilder helfen ihr dabei ungemein. Nächtliche Bläue, schlierende Projektionen von Wasser, in dem Schlangen – zwiespältige Tiersymbole der Weisheit wie der Bedrohung – treiben, der Rahmen einer hohen Tür als Zugang, Ausgang, Bildausschnitt: Die Bühne greift tief in das Repertoire des Symbolischen, bleibt aber nicht in der Reproduktion bekannter Chiffren und Bilder stecken, sondern entwickelt eine unangestrengte Kreativität.

Auch im dritten Akt greifen beziehungsreiche Personenregie und bildnerische Symbolik aussagestark ineinander. Jetzt beherrscht ein riesiges Brautkleid den Bühnenraum, das nach der Katastrophe zerbricht und den Zugang zum Kloster öffnet: Diesmal ist der Eintritt für die gescheiterte Prinzessin frei, die Äbtissin auf menschliches Maß geschrumpft. Lianora bekommt den grauen Schleier – auch sie wird wie die mahnende Überfrau versteinern.

Mascha Pörzgens Regie – ein echter Wurf – kommt dem Stück so nahe, weil sie darauf verzichtet, Eindeutigkeit herstellen zu wollen. Sie bewahrt dem Stück seine Offenheit und trifft damit auch die romantische Seite: Denn das Transzendieren der Alltagswelt – für die der Chor mit seinen Bonbonrosa-Schattierungen bei den Damen und knallbunten Hosen bei den Herren steht – ist Chance und Gefahr zugleich: Hinter der Welt der Dinge lockt die Erfüllung, lauert aber auch das Dämonisch-Verderbliche. Die Osnabrücker Inszenierung lässt die Wege offen, stellt Hans Gáls Oper in einen Zusammenhang mit Werken wie Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“, aber auch „Der ferne Klang“ Franz Schrekers, Pietro Mascagnis „Iris“, vielleicht auch Eugen d’Alberts „Die toten Augen“. So erweist sich „Das Lied der Nacht“ als ein Beispiel symbolistischer Spätromantik, die heute eine frische Faszination gewonnen hat.

 

 

[Home] [Oper] [Ballett] [Schauspiel] [Vita] [Aktuell] [Presse] [Presse Sommernacht] [Presse Lied der Nacht] [Presse Faust] [Presse Fantasia] [Presse Merlin] [Presse Sonnambula] [Presse Lohengrin] [Kontakt /Impressum]